MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus
MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Jakob Schirl
Auf dem vorderen Spiegel einer lateinisch-deutschen Sammelhandschrift (Berlin, Staatsbibliothek, ms. theol. lat. fol. 490), die Auszüge aus dem Fürstenspiegel des Aegidius de Roma und Engelberts von Admont sowie weitere politische, moralphilosophische und juristische Texte enthält, findet sich der Besitzvermerk dyt Boich ys Jacob Schirls Anno d[omi]ni 1467. Jakob Schirl gehörte zu einer angesehenen Kölner Kaufmannsfamilie, die im 15. Jahrhundert auch im Rat der Stadt vertreten war. So vermerkt der Liber Senectutis des Hermann von Weinsberg für das Jahr 1500 unter den geschlechten der rhaitzherrn u.a. die schirl (Bl. 78v). Während die Brüder Jakob und Goswin Schirl als Kölner Kaufleute hansische Privilegien genossen und nach einem Verzeichnis von 1468 auch über Niederlassungen in London verfügten (Ennen, S. 704), sind andere Familienmitglieder zu derselben Zeit in Kölner Archivalien als Schöffen zu Zülpich und Mersburden bezeugt (Findbuch, Best. 233 Kart.). Jakob Schirl war nicht nur der Besitzer der Berliner Handschrift (ms. theol. lat. fol. 490), sondern hat die politische Sammlung offenbar auch zusammengestellt und die späteren, im Kölner Dialekt abgefaßten Rechtstexte größtenteils auch selbst geschrieben. In diese 'politische Umgebung', zu der am Schluß noch eine, vielleicht von Schirl selbst verfaßte Ständelehre gehört, wird Konrad Humerys deutsche Übersetzung von Boethius ‚De consolatione philosophiae’ (Bl. 109r-156v) eingefügt. Mommert hält für die Berliner Handschrift fest: "In recht ansprechender Weise hat sich hier ein Ratsherr über sein Amt und das Verhältnis zu den anderen Bürgern Rechenschaft zu geben versucht, theoretische Fundierung und praktische Anweisung in gleicher Weise berücksichtigend. Für jene hat er seine Quellen genannt: in erster Linie Aristoteles, Plato, Cicero [...]; fol. 250v auch Boethius mit der Einnerung, daß Macht und Gewalt keinen Bestand haben." (S. 127) Verf.: cbk / sl. Schreiber und Besitzer von Handschriften: Literatur:Die autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs. Digitale Gesamtausgabe. Liber Senectutis. Historisches Archiv der Stadt Köln, Nr. CD 50, Bl. 78r. Ennen, L.: Geschichte der Stadt. Köln 1869, S. 704. Historisches Archiv der Stadt Köln, Findbuch, Best. 233 Kartäuser, U1/559. URL: http://www.archive.nrw.de, [Zugriff: 17.05.2010; 9:30Uhr]. Herding, O.: Probleme des frühen Humanismus in Deutschland. In: Archiv für Kulturgeschichte 38 (1956), S. 344-389, insb. S. 375. Mommert, M.: Konrad Humery und seine Übersetzung der Consolatio Philosophiae. Studien zur deutschen Boethius-Tradition am Ausgang des Mittelalters. Diss. Münster 1965, S. 15f. u. 127. Rose, V.: Verzeichniss der lateinischen Handschriften der königlichen Bibliothek zu Berlin. 2. Bd.: Die Handschriften der Kurfürstlichen Bibliothek und der Kurfürstlichen Lande. 1. Abt. (Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin 13). Berlin 1901, S. 337f., Nr. 481. Schumacher, A.: Die Berliner Humery Handschrift Ms. theol. lat. 490. Beschreibung und Analyse. MA-Arbeit. Bochum 2009. |