MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus
MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Hartmann Schedel
Hartmann Schedel, Autor des 'Liber chronicarum' und einer der bedeutendsten Vertreter des nürnbergischen Frühhumanismus, wurde am 13. Februar 1440 als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in Nürnberg geboren. Nach dem frühen Tod der Eltern nahm sich sein älterer Vetter Hermann Schedel, der in Italien studiert hatte und hier mit dem Humanismus in Berührung gekommen war, der Erziehung des jungen Neffen an. In ihm fand Hartmann Schedel seinen wichtigsten „Förderer und Berater, der seine Studien lenkte und seinen gelehrten und literarischen Eifer über lange Jahre hin unterstützte“ (Hernad / Worstbrock Sp. 609). Am 20. April 1456 immatrikulierte Hartmann Schedel sich an der Artistenfakultät in Leipzig, wurde dort 1457 Baccalaureus und 1459 Magister. Danach wandte er sich zunächst dem kanonischen Recht zu. Entscheidenden Einfluß auf seine humanistischen Neigungen übte Peter Luder aus, der 1462 in Leipzig lehrte. Ende 1463 folgte Hartmann seinem Lehrer nach Padua, wo er das Studium der Medizin aufnahm und 1466 mit der Doktorwürde abschloß. In demselben Jahr kehrte Hartmann Schedel nach Deutschland zurück. 1470 wurde er zunächst Stadtarzt in Nördlingen, 1477 in Amberg und Anfang der 80er Jahre schließlich in Nürnberg, wo er bis zu seinem Tode lebte. Hartmann Schedel war wohlhabend und verfügte über beträchtlichen Grundbesitz; seit 1482 gehörte er zu den Genannten des Größeren Rates in Nürnberg. In erster Ehe (1475-1485) mit Anna Heugel aus Nürnberg verheiratet, ehelichte er 1487 die Nürnberger Patrizierin Magdalena Haller. Er starb in Nürnberg am 28. November 1514. Soweit ihm seine beruflichen und städtischen Verpflichtungen Zeit ließen, widmete sich Hartmann Schedel der Literatur und den Wissenschaften. Seine humanistischen Studien und seine Leidenschaft für alte Bücher brachten ihn in Kontakt u. a. mit Konrad Celtis, Hieronymus Münzer und Willibald Pirckheimer. Gemeinsam mit dem Straßburger Humanisten Sebastian Brant finden wir ihn auch unter den Gründern der 1497 von Johannes Trithemius initiierten Joachim-Bruderschaft. Seine Bibliothek, eine der umfänglichsten Privatsammlungen dieser Zeit, umfasste ausweislich seines im Jahr 1507 angelegten Katalogs (München, BSB, Clm 263) einen Bestand von 667 Bänden, der bis zu seinem Tod noch kontinuierlich anwuchs. Schedel sammelte Handschriften wie Drucke, wobei er Vieles selber abschrieb oder kompilierte (so u. a. auch MRFH 10725 u. MRFH 10720). Aus seinem Besitz, der vorzugsweise lateinische Bücher umfasste, sind auch einige Werke der frühhumanistischen Übersetzungsliteratur nachgewiesen, die Schedel überwiegend als gedruckte deutsche Ausgaben erwarb. Hierzu zählen der Erstdruck von Wyles 'Translatzen' (MRFH 21510, 2. Münchner Ex.), Steinhöwels 'Griseldis' und 'Apollonius' (wahrscheinlich der Augsburger Sammelband Günter Zainers von 1471 = MRFH 20180) und eine deutsche 'Decameron'-Ausgabe, die vielleicht mit dem illustrierten Druck von 1490 (MRFH 20380) identisch ist, denn lt. Eintrag im Clm 263 besaß Schedel die Cento nouella vo[n] hundert lüstiger fabel boccaccium gemacht. getruckt. Hartmann Schedel legte großen Wert auf eine kostbare Ausstattung seiner Bücher, hiervon zeugt beispielsweise auch der Münchener Cgm 5185 (MRFH 10690), eine reich illustrierte Versbearbeitung über die Tugenden, für die literarisch Auszüge aus Albrechts von Eyb 'Ehebüchlein' und 'Spiegel der Sitten' Pate standen und deren Illustrationen vielleicht unmittelbar nach Wandgemälden im Eichstätter Domhof Albrechts von Eyb angefertigt wurden. Die meisten seiner Bücher versah Hartmann Schedel mit kalligraphischem Besitzeintrag und heraldischem Buchschmuck (Mohrenkopf), „ließ sie mit Buchschmuck ausstatten, rubrizierte sie vielfach mit eigener Hand. Vor allem aber inserierte er ihnen Zeichnungen, Miniaturen, Einblattholzschnitte, Buchholzschnitte, Metallschnitte, Teigdrucke und Kupferstiche, die er ihnen einkleben oder beibinden ließ. Es entstand auf diese Weise eine graphische Sammlung, die zu den frühesten in Europa zählt.“ (Hernad / Worstbrock Sp. 613). Schedels Buchbesitz umfasst auch eine der bedeutendsten antiken Inschriftensammlungen dieser Zeit, die vor allem in dem zwischen 1502 und 1506 angelegten 'Opus de antiquitatibus cum epitaphiis' (München, BSB, Clm 716) in beeindruckender Weise erfasst wurden. Berühmt wurde Hartmann Schedel vor allem durch seine lateinische Weltchronik, das ehrgeizigste Buchprojekt des ausgehenden 15. Jahrhunderts, das in dem 1493 bei Anton Koberger herausgegeben Druck den Titel trägt: Liber chronicarum cum figuris et ymaginibus ab inicio mundi. Die Weltchronik erschien als Gemeinschaftswerk des Nürnberger Humanistenkreises und wurde von den Kaufleuten Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister finanziert. Die aufwendigen Holzschnitte wurden in der Werkstatt der Maler Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff gefertigt. Das im Großfolioformat 326 Blatt umfassende Werk ist mit mehr als 1800 Holzschnitten ausgestattet, die von 645 Holzstöcken genommen wurden. Ende 1493 erschien bei Anton Koberger auch die von dem Nürnberger Losungsschreiber Georg Alt angefertigte deutsche Übersetzung Buch der Croniken vnd geschichten mit figuren vnd pildnussen von anbeginn der welt bis auf dise vnnsere zeit (MRFH 21316). Für ihre Holzschnitte wurden die Holzstöcke der lateinischen Ausgabe mit nur wenigen Abweichungen wiederverwendet. Die Chronik fasst – gewissermaßen als summa — das gesamte Material, das Hartmann Schedel in seinen Bücherschätzen vorfand, zusammen. Mittelalterliches (wie die Orientierung an Isidors sex aetatibus mundi und die vorrangige Benutzung eines Papst-Kaiserkatalogs im VI. Weltalter, den schon der Frühhumanist Heinrich Steinhöwel nach dem Vorbild der 'Flores tempores' in seiner 'Tütschen Chronica' zugrunde legte) steht neben humanistischen Quellen, von denen Schedel vor allem das 'Supplementum Chronicarum' des Jacobus Philippus Foresta von Bergamo, aber auch Petrarca, Boccaccio, Poggio, Leonardo Bruni und besonders die historiographischen Schriften des Aeneas Silvio Piccolomini, seine 'Historia Bohemica', 'Historia Austrialis' und 'Europa' benutzte. Hartmann Schedel erweist sich damit am Ausgang des Mittelalters nochmals als typischer Vertreter des deutschen Frühhumanismus, für den Mittelalter und Humanismus noch keine Gegensätze, sondern ein lebendiges Geben und Nehmen waren. Hauptquelle: Verf.: cbk. Schreiber von Handschriften:
Schreiber und Besitzer von Handschriften: Besitzer von Handschriften: Besitzer von Drucken:
Literatur:Hernad, B.: Die Graphiksammlung des Humanisten Hartmann Schedel. München 1990. Klingner, J.: Hartmann Schedel. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter — Autoren und Werke nach Themenkreisen und Gattungen. Hg. v. Wolfgang Achnitz. Bd. 3: Reiseberichte und Geschichtsdichtung. Berlin/Boston 2012, Sp. 940-951. Rowan, S.: Chronicle as Cosmos: Hartmann Schedel's Nuremberg chronicle, 1493. In: Daphnis 15 (1986), S. 375─407. Rücker, E.: Hartmann Schedels Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürer-Zeit. Mit einem Katalog der Städteansichten. München 1988. Schnell, B.: Arzt und Literat. Zum Anteil der Ärzte am spätmittelalterlichen Literaturbetrieb. In: Sudhoffs Archiv 75 (1991), S. 44-57, insb. S. 53-56. Stauber, R.: Die Schedelsche Bibliothek. Ein Beitrag zur Geschichte der Ausbreitung der italienischen Renaissance, des deutschen Humanismus und der medizinischen Literatur. Nach dem Tode des Verfasser hg. von O. Hartig (Studien und Darstellungen aus dem Gebiete der Geschichte 6,2/3). Freiburg i. Br. 1908. Terrahe, T.: Heinrich Steinhöwels 'Apollonius'. Edition und Studien (Frühe Neuzeit 179). Berlin / Boston 2013. Worstbrock, F. J.: Hartmann Schedels 'Index Librorum'. Wissenschaftssystem und Humanismus um 1500. In: Helmrath, J. / Müller, H. (Hgg.) in Zusammenarbeit mit H. Wolff: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen. 2 Bde. München 1994, S. 697-715. | Selbstbildnis Schedels. Quelle: Hartmann Schedel: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einleitung und Kommentar von S. Füssel. Köln u.a. 2001, S. 2. Engel mit Schedels Wappen (1503). Miniatur in einer Handschrift (14. Jh.) aus dem Besitz Schedels (München, BSB, Clm 5, Fol. 1r). Quelle: Eser, T.: Dürer und das Buch. Facetten einer Beziehung. In: Eser, T. / Grebe, A.: Heilige und Hasen. Bücherschätze der Dürerzeit. Nürnberg 2008, S. 31-44, Abb. S. 40. Albrecht von Eyb: Versbearbeitung einzelner Prosastellen aus 'Ehebüchlein' und 'Spiegel der Sitten', aus Schedels Besitz; Quelle: München, BSB, Cgm 5185, Bl. 18r. Schedels Exlibris. Quelle: München, BSB, Rar. 287, Bl. Vb. Ansicht von Nürnberg, Quelle: Hartmann Schedel: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einleitung und Kommentar von S. Füssel. Köln u.a. 2001, fol. XCIXb u. Ca. |