MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Johann Heise
Die Angaben zu Johann Heise (Johannes Heyse) sind in der Forschung z.T. widersprüchlich. Nach den neusten Untersuchungen Christoph Fasbenders sind die im ²VL Band 3 und 11 unter den Namen Johann Heise und Johannes Heyse aufgeführten Autoren identisch. Johann Heise, dessen Vater bereits 1443 verstarb, gehörte einer Goldschmiedefamilie in Frankfurt am Mayn an (Faßbender, S. 39). Er scheint beruflich eng mit dem Rat der Stadt verbunden gewesen zu sein. So hat er 1482 das Rechenbuch geführt und übte in der prosperierenden Messemetropole als Visierer und Eichmeister städtische Kontrolle aus. Darüber hinaus bezeichnete er sich 1489 als Baumeister und wurde in den Testamentsakten des Liebfrauenstifts von den Vikaren des Stifts über mehrere Jahre als Testamentierer eingesetzt (Freise, S. 235). Mit seinem verzeichniss ettlicher alten beschehenen dinge (heute: StA Frankfurt, Holzhausen-Archiv, Kasten 163) hinterließ Johann Heise tagebuchartige Annalen, die überwiegend in Deutsch angelegt wurden, gelegentlich aber auch lateinische Einträge (wie z.B. ein lateinisches, in Hexametern abgefasstes Gedicht von 1489) enthalten. Dokumentiert werden darin aus persönlicher Sicht Ereignisse zur Stadtgeschichte von 1473 bis 1493. In seinem verzeichniss berichtet Heise z.B. über die Maria-Magdalenen-Prozession, die Klosterreform bei den Dominikanern (1474), über die sog. Niklashauser Fahrt (1476) oder über die Aufführung von geistlichen Spielen (1492), so über ein Jungfrauenspiel von den sieben weisen und den sieben törichten jungfrauen sowie ein Passionsspiel, an dem in Frankfurt mehr als 200 Personen teilnahmen: item 20 gulden geschenkt der gesellschaft ingemein, die das spiel von der passion unsers hern hatten vollenbrengen, und waren darinne bi den IIc personen ungeverlich wole erzugt. darzu schankt der rat auch XX firtel wines als sie die personen des ganzen rades zu mittagimps geladen hatten, die auch den merer teiln daselbsten erschienen. (Froning, S. 234). Klaus Wolf urteilt über Johannes Heise, dass er "ein nüchterner, sich vom religiösen Massenwahn im gemein volk überlegen abhebender Laie" war, dessen Aufzeichnungen von "reformorientierter Laienfrömmigkeit" (S. 396) geprägt waren. Aus dem Besitz Johann Heises haben sich weitere Bücher erhalten, neben Inkunabeln mit diätischen Texten und Gesundheitsregeln (Frankfurt III/2 u. Inc. IV/26; Darmstadt, LUB, Hs 2942), in die Heise persönliche Notizen eintrug, kennen wir noch von ihm selbst geschriebene Exzerpte und Abschriften von Gesundheits- und Kräutertexten, aber auch von lateinischer Dichtung. Neu hinzu kommt jetzt noch eine Augsburger Inkunabel mit Ciceros 'De officiis' in deutscher Übersetzung, die Heises Besitzeintrag von 1488 trägt. Verf.: cbk. Besitzer von Drucken:
Literatur:FASBENDER, Ch.: Zum literarischen Profil Frankfurts. In: Seidel, R. / Toepfer, R. (Hgg.): Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Strategien und Institutionen literarischer Kommunikation im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Zeitsprünge 14,1/2). Frankfurt am Main 2010 , hier S. 39f. Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen des Mittelalters, bearbeitet von Richard Froning (Quellen zur Frankfurter Geschichte, Bd. I ), Frankfurt 1884, S. 224-236. Freise, D: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 178), Göttingen 2002 , insb. S. 149 , 224 u. 234f. Frenz, T.: Heise, Johann. In: 2VL 3 (1981), Sp. 938. Frey, W.: Passionsspiel und geistliche Malerei als Instrumente der Judenhetze in Frankfurt am Main um 1500. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte. Bd. 13 (1984), S. 15–57 (online), S. 23. Wolf, K: Kommentar zur Frankfurter Dirigiertolle und zum Frankfurter Passionsspiel, Tübingen 2002 , S. 395-398. Keil, G.: Heyse, Johannes. In: ²VL 11 (2004), Sp. 656f. Schwarz, J.: Die Horizonte städtischer Historiografie in Frankfurt am Main im späten Mittelalter. Das Beispiel des Johann Heyse († 1495). In: Seidel, R. / Toepfer, R. (Hgg.): Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse. Strategien und Institutionen literarischer Kommunikation im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Zeitsprünge 14,1/2). Frankfurt am Main 2010, S. 311-323, insb. S. 318. | Quelle: San Marino (USA), HuntingtonL, Rare Books 86414 (mit freundlicher Genehmigung der HuntingtonL). |