MRFHMarburger Repertorium zur
Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus

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Konrad Peutinger

MRFH 2047

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Konrad Peutinger (1465-1547) besaß zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Privatbibliotheken Europas. Er stammte aus einer begüterten Augsburger Kaufmannsfamilie und ging 1482-88 nach Italien, wo er in Bologna und Padua weltliches Recht studierte. Hier machte er sich mit der gesamten italienischen Bildung vertraut. Auf seinen Reisen, u.a. nach Rom und Florenz, lernte er bedeutende Humanisten kennen, u.a. auch Giovanni Pico della Mirandola, mit dem er in Florenz in Kontakt kam.

Peutinger kehrte zunächst ohne Promotionsabschluss in seine Heimatstadt zurück, 1489 erwarb er aber, als er mit einer Gesandtschaft aus Augsburg von einer Papstreise zurück kam, die Doktorwürde in Padua. Nachdem er in die städtische Kanzlei eingetreten war, wurde er 1497 zum Stadtschreiber in Augsburg auf Lebenszeit ernannt. Ein Jahr später ehelichte er Margarete Welser, deren Familie zu den reichsten und mächtigsten des Augsburger Patriziats gehörte, wodurch ihm der Eintritt in die oberste Führungsschicht der Reichsstadt gelang.

Zu seinen Aufgaben als Stadtschreiber zählten wichtige auswärtige Dienste. So vertrat er Augsburg u.a. beim Schwäbischen Bund und auf Reichstagen. Auch Kaiser Maximilian I., zu dessen engen Vertrauten Peutinger zählte, ernannte ihn zum kaiserlichen Rat und beauftragte ihn mit wichtigen politischen Missionen. Peutinger hatte das Amt des Augsburger Stadtschreibers fast vierzig Jahre inne. 1534 trat er jedoch von diesem zurück, als seine ausgleichende Politik zwischen dem katholischen und protestantischen Lager gescheitert war und Augsburg zur Reformation übertrat.

Konrad Peutinger war der Mittelpunkt der humanistischen ‚Sodalitas Augustana’ (auch Peutingeriana genannt). Brieflich stand er mit Humanisten in ganz Europa in Kontakt. Hierzu zählten "Bekannte aus der Studienzeit wie Angelo Poliziano, Giovanni Pico della Mirandola [...] Pomponius Laetus", den Peutinger praeceptus meus nennt (Müller, S. 172), aber auch die im deutschen Südwesten und der Schweiz wirkenden Humanisten wie Erasmus von Rotterdam, Sebastian Brant, Ulrich Zasius und Beatus Rhenanus, der ihn auch 1530 in Augsburg besuchte; ebenso hielt er Kontakt mit Johannes Reuchlin, Willibald Pirckheimer und Konrad Celtis, den er unter den literarisch Gebildeten in Deutschland besonders rühmte (ebd. S. 173).

Peutinger sammelte antike Inschriften, beschäftigte sich mit Numismatik und widmete sich vor allem historischen Themen. Er wirkte an Kaiser Maximilians Gedechtnus mit und verfasste eine Geschichte aller Kaiser von der Römerzeit bis zu Maximilian I., die in mehreren handschriftlichen Fassungen überliefert ist; das Werk blieb allerdings unvollendet und gelangte nicht zum Druck. Herausgegeben hat Peutinger indes 1505 eine Sammlung römischer Inschriften aus Augsburg und Umgebung.

Seine Bibliothek, die über zeitgenössische Bücherverzeichnisse greifbar wird und von Hans-Jörg Künast und Helmut Zäh mittlerweile zu 40% rekonstruiert werden konnte, umfasste "6000 Titel in rund 2200 Bänden" (Künast/Zäh, S. 11), darunter auch ca. 200 Handschriften. Konrad Peutinger sammelte humanistische und antike, aber auch mittelalterliche Codices (wie z.B. die 'Weltchronik' Ottos von Freising); seine Bibliothek, die er in sechzig Jahren zusammentrug, gilt als die "größte Humanistenbibliothek nördlich der Alpen" (Gier, S. 97).

Gemäß dem Nachlassverzeichnis, das der Notar David Schwarz anlegte, besaß Peutinger auch einige Texte aus dem Umkreis der frühhumanistischen Übersetzungsliteratur bzw. ihrer italienischen Vorlagen. So dürfte mit dem Eintrag historia Lucretiae germanice Wyles Übersetzung 'Eurialus und Lucretia', seine erste Translatze nach Enea Silvio Piccolominis Briefnovelle 'De duobus amantibus', gemeint sein. In unmittelbarer Nachbarschaft wird Boccaccios 'De claris mulieribus' erwähnt, den der Ulmer Frühhumanist Heinrich Steinhöwel — parallel zu seiner deutschen Bearbeitung 'Von den erlauchten Frauen' — erstmals 1473 bei Johann Zainer auf dem europäischen Buchmarkt herausbrachte; noch "einen weiteren Boccatius ohne weitere Erläuterung" und ein Äsopus cum aliis werden erwähnt (Hess, S. 79); ob es sich bei letzterem vielleicht um die lateinische Ausgabe des Steinhöwelschen 'Aesop' handelt, muss offen bleiben. Auch der Eintrag Teutsche cronica ist nicht eindeutig. Steinhöwels 'Tütsche Cronica' könnte hier ebenso wie Georg Alts Übersetzung der Schedelschen 'Weltchronik' gemeint sein, die oftmals als teutsche cronica (Green, S.192) bezeichnet wurde.

Verf.: cbk.

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Literatur:

Brüning, J.; Gier, H., Müller, J.-D. (Hgg.): Die Bibliothek und der handschriftliche Nachlass Konrad Peutingers, 2 Bde., Tübingen 2003/2005.
Gier, H.: Kirchliche und private Bibliotheken in Augsburg während des 15. Jahrhunderts. In: Janota, J. / Williams-Krapp, W. (Hgg.): Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts. Tübingen 1995, S. 82-99.
Green, J.: Marginalien und Leserforschung — Zur Rezeption der 'Schedelschen Welchronik', in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 60 (2006), S. 184-261.
Hess, U.: Heinrich Steinhöwels 'Griseldis'. Studien zur Text- und Überlieferungsgeschichte einer frühhumanistischen Prosanovelle (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 43). München 1975, insbes. S. 79.
Johanek, P.: Geschichtsschreibung und Geschichtsüberlieferung in Augsburg am Ausgang des Mittelalters. In: Janota, J. / Williams-Krapp, W. (Hgg.): Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts (Studia Augustana 7). Tübingen 1995, S. 160-182, hier bes. S. 180f.
König, E. (Hg.): Konrad Peutingers Briefwechsel (Humanisten-Briefe 1), München 1923.
Künast, H.-J. (Hg.): Die Bibliothek Konrad Peutingers. Edition der historischen Kataloge und Rekonstruktion der Bestände. Tübingen 2003ff.
Künast, H.-J. u. Müller, J.-D.: Peutinger, Conrad. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, S. 282–284.
Künast, H.-J. / Zäh, H.: Von der Wiedergeburt einer großen Bibliothek. In: forschung 2/2003, S. 10-13.
Müller, J.-D.: Konrad Peutinger und die Sodalitas Peutingeriana. In: Der polnische Humanismus und die europäischen
Sodalitäten, hg. von S. Füssel u. J. Pirozynski, Wiesbaden 1997, (Pirckheimer Jahrbuch für Renaissance- und Humanismusforschung,
Bd. 12), S. 167–186.

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Portrait von Konrad Peutinger. Quelle: Künast, H.-J. / Zäh, H.: Von der Wiedergeburt einer großen Bibliothek. In: forschung 2/2003, S. 10-13, Abb. S. 10.

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Wappen des Konrad Peutinger. Quelle: Künast, H.-J. / Zäh, H.: Von der Wiedergeburt einer großen Bibliothek. In: forschung 2/2003, S. 10-13, Abb. S. 11.

Version vom 30. 08. 2012 (MRFH). Permanent Link: mrfh.de/2047.