MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus
MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Breslauer Rat
Als wichtigste Stadt Schlesiens hatte Breslau (WrocÅ‚aw) bereits seit dem 13. Jahrhundert eine politische Sonderstellung inne, die dem Rang einer Freistadt beinahe ebenbürtig war. Seit 1262 wurde die Breslauer Gemeinde nach Magdeburger Recht von einem Stadtrat regiert, der sich aus elf Schöffen (sieben untere und vier obere Schöffen) und fünf bis acht Ratsherren (ab 1348 regelmäßig acht) zusammensetzte. Den Ratsvorsitz hatte jedoch nicht der Bürgermeister, sondern der Ratsälteste (Präsens), der gleichzeitig als Landeshauptmann dem Fürstentum Breslau vorstand, inne. So waren Ratsherren und -ältester an Macht den souveränen Fürsten mindestens gleichgestellt, oft übertrafen sie diese jedoch, da der politische Einfluss des Rats zusätzlich von der wirtschaftlichen Kapazität der Stadt getragen wurde. Unter den Ratsmitgliedern bildete sich bis zum 15. Jahrhundert eine feste Hierarchie heraus. Seit 1515 behielt man das Amt des Ratsherrn auf Lebenszeit, was ab 1551 auch für das Amt des Präsens galt. Der Bürgermeister wurde im Durchschnitt alle sechs Wochen aus der Riege der Ratsherren neu gewählt. König Sigismund versuchte mehr oder weniger erfolglos im Jahr 1425 und Matthias Corvinus von Ungarn 1475 erneut den Wahlmodus des Breslauer Rats zu verändern, was sich allerdings nicht dauerhaft durchsetzen konnte, da nach einem Ratsbeschluss von 1490 die alte Wahlordnung wieder eingeführt wurde. Bis zum 15. Jahrhundert hatte sich Böhmen zu einem kulturellen Zentrum Europas entwickelt. Breslau war derzeit die zweitgrößte Stadt des Königreich Böhmens und stand mit Prag in einem intensiven kulturellen Austausch. 1475 wurde von Caspar Elyan (*1435; †1486) die erste Druckerei in Breslau gegründet. Nachdem Conrad Baumgarten 1503 in Breslau ankam, druckte er dort ein Jahr später die 'Legende der heiligen Jadwiga' (hl. Hedwig) und errichtete eine Stadtbuchdruckerey. Der Stadtschreiber Peter Eschenloer (*1420; †1481) übersetzte 1464 im Auftrag des Rats die 'Historia Bohemica' des 1458 zum Papst gewählten Aeneas Silvio Piccolomini sowie 1466 die 'Historia Hierosolymitana' des Robertus Monachus, anschließend verfasste Eschenloer 1472 seine lateinische 'Historia Wratislaviensis', die er ebenfalls dem Rat widmete. Aus Eschenloers Feder sollte bis zum Ende der 1470er Jahre sogar eine weitere Chronik Breslaus folgen. In dieser auf Deutsch verfassten Stadtgeschichte ergreift der Schreiber Partei für die politische Führung des Stadtrats und richtet sich gegen geistliche Autorität: Vormaledeit ist ein iczlich regiment eynir iczlichen stat, das vff dem predigstul, vnd nicht vff dem rathaws in heimlichen rate geregiret vnd georbirt wirt (Roth, Bl. 232rb). Verf.: bjk. Literatur:Davies, N. und Moorhouse, R.: Breslau — die Blume Europas. Die Geschichte einer mitteleuropäischen Stadt. München 2005, S. 171-177. Dierfeld, G.: Rat und Gemeinde in Breslau vor der preußischen Besitzergreifung. Diss. Univ. Breslau 1908. Kunisch, J.: Geschichten der Stadt Breslau, oder Denkwürdigkeiten seiner Zeit: vom Jahre 1440 bis 1479. Breslau 1827-28 (digital: Band 1, digital: Band 2). Roth, G. (Hg.): Peter Eschenloer: Geschichte der Stadt Breslau. 2 Bde. (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 29). Münster 2003, hier Band 2, Bl. 232rb. Stein, R.: Der Rat und die Ratsgeschlechter des alten Breslau (Göttinger Arbeitskreis 273). Würzburg 1963. |