MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus
MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Sigmund von Tirol (der Münzreiche)
Herzog Sigmund von Tirol wurde am 26. Okt. 1427 als viertes Kind des Herzogs Friedrich IV. von Tirol und dessen zweiter Gemahlin Anna von Braunschweig-Göttingen geboren. Mit dem Tod des Vaters kam Sigmund 1439 unter die Vormundschaft seines Vetters, Kaiser Friedrichs III. Erst 1446 sollte es den Tiroler Ständen gelingen, die souveräne Regierung Sigmunds in Tirol und in den vorderösterreichischen Gebieten zu erzwingen. Während seiner Regentschaft förderte der Herzog vor allem den Silberbergbau, der sich als sehr rentabel erwies und ihm den Beinamen 'der Münzreiche' einbrachte. 1448 vermählte sich Sigmund mit Eleonore von Schottland. Nach ihrem Tode (1480) heiratete er in zweiter Ehe 1484 in Innsbruck Katharina von Sachsen; auch diese Ehe blieb kinderlos. Durch eine aufwendige Hofhaltung und den kostspieligen Krieg gegen die Republik Venedig sah sich Sigmund gezwungen, Verpfändungen an Albrecht IV. von Bayern vorzunehmen. Um den drohenden Staatsbankrott und eine Abtretung Tirols und der habsburgischen Vorlande an das Haus Wittelsbach zu verhindern, wurde Sigmund 1490 zum Regierungsverzicht gezwungen. Mit seinem Tod 1496 erlosch die ältere Linie der Tiroler Habsburger, da Sigmund ohne Nachkommen blieb. Sigmund, der am Hof seines Vormunds, Kaiser Friedrich III., in Wien aufwuchs, kam bereits früh mit humanistischen Ideen in Berührung. Enea Silvio Piccolomini (1405-1464), der spätere Papst Pius II., widmete dem jungen Herzog sein Erziehungstraktat über die studia humanitas (1443), in welchem er ihm „ein humanistisches Ideal des sowohl gebildeten als auch gesitteten Fürsten zu vermitteln“ (Worstbrock, Sp. 642) suchte. In der Folgezeit bemühte sich der Herzog nach dem Vorbild italienischer Humanistenhöfe Kontakte zu zeitgenössischen Literaten zu knüpfen. Am Innsbrucker Hof umgab er sich mit einer Reihe von frühhumanistischen Persönlichkeiten und Büchersammlern. So standen Antonius von Pforr, Jakob Püterich von Reichertshausen, Gregor Heimburg, Laurentius Blumenau und Peter Luder zeitweise in seinen Diensten. Herzog Sigmund wurden zudem einige literarische Werke gewidmet. Heinrich Gundelfingen dedizierte Sigmund eine lateinische, Albrecht von Bonstetten eine dt. Chronik des Hauses Österreich (Wien ÖNB, Cod. 516 und Cod. 13652). Auch der frühhumanistische Übersetzer Heinrich Steinhöwel stand zu Sigmund von Tirol in persönlichem Kontakt. Der Ulmer Stadtarzt widmete ihm seinen 'Spiegel des menschlichen Lebens' (Erstdruck 1475) und den 'Aesop' (Erstdruck 1476/77). Für seine Übertragung von Boccaccios 'De claris mulieribus' ins Deutsche, die Sigmunds erster Gemahlin, Eleonore von Österreich, gewidmet war, soll Steinhöwel ein Fass Wein vom Herzog erhalten haben (vgl. Hahn, S. 64). Neben frühhumanistischen Texten schätzte der Herzog weiterhin die ältere 'Ritterdichtung', so gab er u.a. ein reknbuch in Auftrag. Damit lassen sich bei Sigmund ähnliche literarische Neigungen wie etwa bei Albrecht IV. von Bayern erkennen, an dessen Hof ebenso ältere und neuere Literatur gefördert wurde. In seiner Totenklage, die noch im Todesjahr in Freiburg erschien, rühmte der Humanist Jakob Lochner Sigmund von Österreich als 'gütigster Vater des Vaterlandes', dessen Hof ein 'Asyl der Freiheit' gewesen sei (vgl. Baum, S. 521). Verf.: sl. Literatur:Assion, P.: Siegmund von Tirol. In: 2VL 8 (1992), Sp. 1212-1214. Assion, P.: Der Hof Herzog Siegmunds in Tirol als Zentrum spätmittelalterlicher Fachliteratur. In: Fachprosa-Studien. Hg. v. G. Keil. Berlin 1982, S. 37-75. Backes, M.: Das literarische Leben am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Gönnerforschung des Spätmittelalters. Tübingen 1992, S. 52f. Baum, W.: Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 14). Bozen 1987. Drostel, J.: 'des gerte diu edele herzoginne'. Möglichkeiten und Voraussetzungen weiblicher Teilhabe am mittelalterlichen Literaturbetrieb unter besonderer Berücksichtigung von Mäzenatentum. Frankfurt am Main 2006, S. 393-398. Hahn, R.: 'Von frantzosischer zungen in teütsch'. Das literarische Leben am Innsbrucker Hof des späteren 15. Jahrhunderts und der Prosaroman 'Pontius und Sidonia' (A) (Mikrokosmos 27). Frankfurt am Main u.a. 1990, S. 50-66. Riedmann, J.: Sigmund, Hzg. (seit 1477 Ehzg.) v. Österreich. In: LexMA 3 (1999), Sp. 1872. Steinhoff, H.-H.: Eleonore von Österreich (Eleonore Stuart, Eleonore von Schottland). In: 2VL 2 (1980), Sp. 470-473 u. 2VL 11 (2004), Sp. 403. Terrahe, T.: Heinrich Steinhöwels 'Apollonius'. Edition und Studien (Frühe Neuzeit 179). Berlin / Boston 2013. Worstbrock, F. J.: Piccolomini, Aeneas Silvius (Papst Pius II.). In: 2VL 7 (1989), Sp. 634-669, insb. Sp. 642. | Sigmund von Tirol mit seinen drei Frauen Eleonore von Österreich (mit Löwenwappen), Katherina von Sachsen (mit sächs. Wappen rechts) und seiner Braut Radegunde von Frankreich (links mit Lilienwappen) im Habsburgerstammbaum von Schloss Tratzberg von 1506. Herzog Sigmund auf dem Weg nach Breisach (1474); Bern, Burgerbibliothek, Mss. hist. helv. I. 3, fol. 233. Quelle: Baum, W.: Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 14). Bozen 1987, S. 361. |