MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus
MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Sebastian Brant
Zeittafel
Geboren wurde Sebastian Brant 1457 als Sohn des Straßburger Gastwirtes Diebolt Brant d. J., der wie schon sein Vater und Großvater im Straßburger Rat saß. Gesicherte Belege für seinen Werdegang besitzen wir erst für sein 1475/76 beginnendes Studium an der Universität Basel. Dort gelang ihm innerhalb weniger Jahre eine wissenschaftliche Karriere an der juristischen Fakultät, in der er 1477/78 das Bakkalaureat, 1484 das Lizentiat und 1489 die Promotionswürde erlangte. 1492 wurde er für ein Jahr zum Dekan der juristischen Fakultät gewählt. 1485 heiratete er die Basler Bürgerin Elisabeth Burgis. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor. In Basel gehörte Brant dem humanistischen Kreis um den 1496 verstorbenen Basler Prediger Johannes Heynlin de Lapide an. Kurz bevor sich die Stadt Basel im Sommer 1501 der Eidgenossenschaft anschloss, verließ der habsburgisch gesinnte Brant die Stadt und kehrte in seine Heimatstadt Straßburg zurück, wo er zunächst als Syndikus tätig wurde. Schon 1502 wurde er Straßburger Stadtschreiber. Dabei vertrat er die Stadt in vielen öffentlichen Anlässen, traf hier u.a. auch mit Kaiser Maximilian I. zusammen, der ihn zu seinem kaiserlichen Rat und später auch zum Beisitzer des kaiserlichen Hofgerichts ernannte. Am 10. Mai 1521 starb Brant im Alter von 64 Jahren in Straßburg. Brant gehörte zu den vielseitigsten Autoren um 1500. Seinen literarischen Ruhm begründete das 'Narrenschiff' (Erstdruck 1494). Daneben tritt er aber ebenso als Autor juristischer Fachliteratur, humanistischer und religiöser Dichtungen sowie als Publizist und Herausgeber in Erscheinung. Bei all diesen Tätigkeiten stützte er sich auf seine guten Kontakte zum Basler und Straßburger Druckwesen. Aufgrund seiner engen Zusammenarbeit mit dem Basler Verleger Johann Bergmann von Olpe und der detaillierten Druckgestaltung seiner Werke gilt Brant als "eine[r] der ersten bewußten Förderer und systematischen Nutzer der neuen Printmedien" (Knape (2008), Sp. 249). Dies wird besonders bei Brants Einblattdrucken deutlich, mit denen er Bezug auf tagesaktuelle Ereignisse nahm und sich durch diese publizistische Präsenz "zu einer Person der Öffentlichkeit" (ebd.) entwickelte. Brants vielfältige humanistische Interessen äußern sich zunächst in seinem universitären Wirken, werden aber bald auch in seinem literarischen Schaffen deutlich. So präsentierte er sich schon bald als Herausgeber, Bearbeiter und Übersetzer antiker und humanistischer Texte (hervorzuheben ist hier seine reich illustrierte Vergil-Ausgabe). Die Pflege des Altertums umfasste zudem nicht nur antike, sondern auch mittelalterliche Texte, wie z. B. Brants 'Freidank'-Edition zeigt. Zusätzlich entfaltete er naturkundliche Interessen. In dem erstmals 1494 von Johann Bergmann von Olpe gedruckten 'Narrenschiff' (MRFH 20580) stellte Brant in 112 Kapiteln zahlreiche Narren vor, welche die ihnen grundsätzlich gegebene Autonomie des Handelns missbrauchen und somit ihre Hoffnungen auf eine christliche Erlösung verspielen. Brant zeigt hier die für den deutschen Humanismus charakteristische pädagogische Wirkabsicht, praktische Lebensweisheit mit antikem Wissen und christlichem Erlösungsgedanken gleichermaßen zu verbinden. Hierin dürfte der große Publikumserfolg des 'Narrenschiffs' in der Frühen Neuzeit begründet sein. Beigetragen zu diesem Erfolg hat sicher auch die Holzschnittillustrierung, die Brant für seine Erstausgabe u.a. bei Künstlern wie Albrecht Dürer in Auftrag gab. Aufgrund des großen Erfolges folgten dem Erstdruck sehr schnell verschiedene Nachdrucke. Brant selbst autorisierte zwei weitere Basler Ausgaben bei Johann Bergmann von Olpe (MRFH 20630 u. MRFH 20640) sowie später zwei Straßburger Ausgaben von Matthias Hüpfuff. Schon bis 1500 wurde Brants Werk in drei süddeutschen Offizinen nachgedruckt und erschien zudem fünf Mal, in einer von ihm nicht autorisierten und überarbeiteten Fassung in fünf Ausgaben. Hinzu kommt 1497 eine niederdeutsche Übertragung. 1495 führte der Humanist Jakob Locher eine lateinische Übersetzung ein, die dem Werk zu internationalem Renommee verhalf und zahlreiche fremdsprachige Übersetzungen nach sich zog. In den Ausgaben seiner deutschen Übersetzungen, die Brant stets mit dem lateinischen Originaltext verband, nimmt die moralische Belehrung breiten Raum ein. Eingeleitet durch einen Titelholzschnitt wechseln sich in diesen zweisprachigen Ausgaben nachfolgend Original und Übersetzung ab. Mit seinem 'Facetus', 'Moretus' und 'Cato' widmete sich Sebastian Brant der Verbreitung kanonischer Schuldichtungen. Die didaktischen Übersetzungen werden durch eine Tischzucht 'Thesmophagia' abgerundet. Hinzu kommen des Weiteren verschiedene religiös-moralische Dichtungen. Knape, J.: Brant (Titio), Sebastian. In: VL Deutscher Humanismus 1 (2008), Sp. 247-283. Verf.: js. Literatur:Henkel, N.: Wertevermittlung und Wissen in der Hand des Gelehrten. Sebastian Brant und sein Werk. In: Text und Normativität im deutschen Mittelalter. XX. Anglo German Colloquium, hrsg. v. E. Brüggen, F.-J. Holznagel, S. Coxen, A. Suerbaum, Berlin (u.a.) 2012, S. 13-45. Knape, J.: Dichtung, Recht und Freiheit. Studien zum Leben und Werke Sebastian Brants 1457-1521 (Saecvla spiritalia 23). Baden-Baden 1992. Knape, J.: Sebastian Brant. In: Füssel, S. (Hg.): Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450-1600). Ihr Leben und Werk. Berlin 1993, S. 156-172. Lemmer, M.: Brant, Sebastian (latinisiert: Titio). In: 2VL 1 (1978), Sp. 992-1005. Leupold, B.: Die Freidankausgabe Sebastian Brants und ihre Folgedrucke. Untersuchungen zum Medienwechsel einer spätmittelalterlichen Spruchsammlung an der Schwelle zur frühen Neuzeit. 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Holzschnitt der Vergil-Ausgabe. Quelle: Bergdolt, K. / Knape, J. / Schindling, A. / Walther, G. (Hgg.): Sebastian Brant und die Kommunikationskultur um 1500 (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 26). Wiesbaden 2010, S. 8. |