MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Johannes Gremper
Als Besitzer der ersten illustrierten Ausgabe (Augsburg, Anton Sorg, 1490) des deutschen 'Decameron' weist sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Magister Johannes Gremper (pro · M[agister]· Io · Gremperio) aus. Die Schrift und Abbreviaturen des Eintrags stimmen mit einem im Original erhaltenen Brief überein, den der zum Wiener Humanistenkreis zählende Johannes Gremper 1514 an den österreichischen Viztum Laurenz Saurer schrieb und mit seinem Namenszug M. Jo. Gremperius versah. Aus den Dokumenten der Wiener Universität erfahren wir, dass Johannes Gremper aus dem damals habsburgischen Rheinfelden (ca. 17 km von Basel) stammte und am 5. Juni 1501 um Zulassung zum Baccalaureats-Examen nachsuchte, was ihm aber wegen Störung des Lehrbetriebs (Hänselung von Novizen u. Anzettelung einer Prügelei) von der Fakultät zunächst verweigert wurde. Dieser Eintrag zum späteren Magister Johannes Gremper bezeugt, dass er nicht mit dem älteren, an mehreren Inquisitationsverfahren in Süddeutschland beteiligten und im Hexenhammer erwähnten Theologen Johannes Gremper (Diözese Konstanz) identisch ist, der bereits von 1468 bis 1472 als Student in Heidelberg und Basel bezeugt ist und vermutlich kurz nach 1491 verstarb. Schon während seiner Wiener Studienzeit dürfte Johannes Gremper den berühmten Humanisten und Büchersammler Cuspinianus kennengelernt haben, den medicus poeta, der sich auch als Übersetzer und Herausgeber von Werken des Altertums große Verdienste erworben hat und 1508 als Nachfolger Konrad Celtis' die Professur für Poetik an der Wiener Universität antrat. Das Verhältnis der beiden muss sehr eng gewesen sein. Oft überließ Johannes Gremper seinem verehrten Freund und Lehrer alte Münzen und kostbare Handschriften und vermachte ihm testamentarisch seine Büchersammlung. Viele Codices aus dem einstigen Besitz Grempers tragen daher den späteren Besitzvermerk des Cuspinianus. Als Humanisten teilten sie die gemeinsame Leidenschaft zu antiken Texten und alten Büchern. Johannes Gremper begleitete Cuspinianus u. a. auf Reisen, die dieser als Gesandter Kaiser Maximilians I. häufiger zum Hof des ungarischen Königs unternahm. Gremper reiste auch mehrfach alleine dorthin, bei einem dieser Aufenthalte gewährte ihm Wladislaw II. Zutritt zur berühmten Bibliothek Corvina, die sein Vorgänger Matthias Covinus mit ungeheurem Aufwand aufgebaut hatte. Durch inständiges Bitten gelang es Gremper im Dezember 1513, die kostbare Philostratus-Handschrift dieser Bibliothek zu erwerben (Budapest, BN, Cod. Lat. 417), eine Abschrift der 1487 am Hofe des Matthias Corvinus von Antonio Bonfini angefertigten lateinischen Übersetzung der 'Heroica' des Flavius Philostratus, die mit erlesenen Minaturen aus der Werkstatt des Boccardino il Vecchio in Florenz ausgestattet war. Schon wenig später überließ Gremper die kostbare Handschrift Johannes Cuspinianus, der die Absicht hatte, den Text zu edieren. Eine Teiledition gab 1516 einer seiner Schüler bei Matthias Schürer in Straßburg heraus, wobei sich der Editor in der Vorrede ausdrücklich bei dem praeclaro viro Johanni Gremperio für die Vermittlung der Handschrift bedankt. Mit Cuspinianus, in dessen Besitz die Corvina-Handschrift nach Grempers Tod endgültig überging, teilte M. Jo. Gremperius nicht nur bibliophile Neigungen, sondern wie sein verehrter Lehrer betätigte er sich auch als Herausgeber lateinischer Texte. Als editio princeps brachte er 1517 in Wien die lateinische Übertragung 'De caracteribus' des Theophrastus heraus (das Münchener Ex. dieses Drucks weist noch Grempers Besitzvermerk auf). In demselben Jahr edierte er noch das Werk 'De vitae perfectione sive vita Moysi' Gregors von Nyssa, das 1521 eine Neuauflage in Basel nach einer handschriftlichen Vorlage des Beatus Rhenanus erfuhr. Beide Wiener Ausgaben gehen auf handschriftliche Vorlagen aus dem Besitz Grempers zurück. Von der Büchersammlung des M. Jo. Gremperius konnte H. v. Ankwicz-Kleehoven 1913 noch 22 Handschriften und Drucke in europäischen Bibliotheken nachweisen, darunter u. a. mehrere Codices oder eigenhändige Abschriften aus der einstigen Corvina, ferner eine Briefsammlung Leonardo Brunis (Wien, ÖNB, Cod. 3472) und den Codex Arundelianus graecus (London, BL, Ms. Arundel 528), der aus dem Vorbesitz des Augsburger Humanisten Willibald Pirckheimer stammt. Andere literarisch bezeugte Bücher wie Grempers griechisch-lateinisches Wörterbuch sind nicht erhalten. Eine neuere Untersuchung zu Johannes Gremper und seiner imponierenden Büchersammlung, der wir nun auch eine illustrierte Ausgabe des deutschen 'Decameron' von 1490 hinzufügen konnten, bleibt ein dringendes Forschungsdesiderat. Verf.: cbk. Besitzer von Drucken:
Literatur:Ankwicz, H. v.: Magister Johannes Gremper aus Rheinfelden, ein Wiener Humanist und Bibliophile des XVI. Jahrhunderts. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 30 (1913), S. 197-216 (online). Ankwicz-Kleehoven, H.: Die Bibliothek des Dr. Johann Cuspinian. In: Stummvoll, J. (Hg.): Die österreichische Nationalbibliothek. Festschrift herausgegeben zum 25jährigen Dienstjubiläum des Generaldirektors Univ.-Prof. Dr. J. Bick. Wien 1948, S. 208-227, insb. S. 217-219. Ankwicz-Kleehoven, H.: Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian. Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Graz / Köln 1959. Fingernagel, A. / Simader, F.: Ergänzungen und Nachträge zu: Hermann, H. J.: Die deutschen romanischen Handschriften. Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich. Band 8: Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Nationalbibliothek in Wien. Teil 2. Leipzig 1926, Cod. 861 (Theol. 739). Klecker, E.: Extant adhuc in Pannonia monumenta Severi. Historia Augusta-Rezeption und humanistisches Selbstverständnis in Cuspinians Caesares. In: Helmrath, J. / Schirrmeister, A. / Schlelein, S. (Hgg.): Medien und Sprachen humanistischer Geschichtsschreibung (Transformationen der Antike 11). Berlin / New York 2009, S. 77-98, insb. S. 88. Mazal, O.: Die Handschriften aus der Bibliothek des Königs Matthias Corvinus von Ungarn in der Österreichischen Nationalbibliothek. In: Ders. (Hg.): Byzanz, Islam, Abendland. Beiträge zur Geschichte und Kultur des Mittelalters. Wien 1995, S. 249-306, insb. S. 288f. u. 304. Stelzer, W.: Cuspinianus (Spieshaymer, Spieß-, -heimer), Johannes. In: VL Deutscher Humanismus 1 (2008), Sp. 519-537, insb. Sp. 525. | Quelle: Västerås (S), StB, Ink. 34. Besitzeintrag Grempers. Quelle: Fingernagel, A. / Simader, F.: Ergänzungen und Nachträge zu: Hermann, H. J.: Die deutschen romanischen Handschriften. Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Ă–sterreich. Band 8: Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Nationalbibliothek in Wien. Teil 2. Leipzig 1926, Cod. 861 (Theol. 739). Bildnis des Cuspinianus von Lukas Cranach d. Ä. Quelle: Brinkmann, B. (Hg.): Cranach der Ă„ltere. Anlässlich der Ausstellung "Cranach der Ă„ltere", Städel Museum, Frankfurt am Main, 23. November 2007 bis 17. Februar 2008, Royal Academy of Arts, London, 8. März bis 8. Juni 2008. Ostfildern 2007, S. 50. Philostratus-Handschrift. Quelle: Budapest (H), BN, Cod. Lat. 417. |