MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Johannes Agricola
Johannes Agricola wurde 1494 in Eisleben geboren. Er immatrikulierte sich 1509 in Leipzig und setzte sein Studium 1515/16 in Wittemberg fort, das er 1518 mit dem mag. art. abschloss. Als begeisterter Anhänger Luthers lernte er dort auch Philipp Melanchton kennen, mit dem er 1519 Baccalaureus bibliae wurde. In Wittemberg hielt er Vorlesungen an der theologischen Fakultät, betätigte sich auch als Prediger und Sekretär Luthers. 1525 wurde Johannes Agricola Rektor der Lateinschule in Eisleben und Prediger an St. Nicolai. Darüber hinaus wurde er Hofprediger des sächsischen Kurfürsten Johann (d. Beständigen), den er auch auf mehrere Reichstage nach Speyer und Augsburg begleitete. Nachdem es bereits 1527 zu ersten Spannungen mit Luther und Melanchthon gekommen war, kam es, als Agricola 1536 nach Wittenberg zurückkehrte, im sogen. Antinomistenstreit zum endgültigen Bruch mit Luther. Agricola ging nach Berlin, wo ihn Kurfürst Joachim II. von Brandenburg als Hofprediger aufnahm. 1543 wurde er Generalsuperintendent der Kurmark und wirkte entscheidend an dem Aufbau der evangelischen Kirche in Brandenburg mit. 1541 nahm Agricola am Reichstag in Regensburg, wenig später in einer von Kaiser Karl V. berufenen Kommission teil, die einen Kompromiss für die vorläufige Ordnung der Religionsverhältnisse erarbeitete, den die Mehrheit der Protestanten aber ablehnte. Agricolas literarisches Schaffen steht ganz unter dem Einfluss der Reformation. Sein Werk umfasst lateinische und deutsche Schriften: Bibelkommentare, Kirchenlieder, Flugschriften, Predigten, Gedichte, und Übersetzungen. Agricola dichtete auch eine Tragedia Johannis Huss, darüber hinaus sammelte und kommentierte er deutsche Sprichwörter: Drehundert gemener Sprickwörde, der wy Düdschen uns gebruken, unde doch nicht weten worher se kamen (Magdeburg 1528), die 1529 auch in einer oberdeutschen Ausgabe herauskamen und 1534 zu Sybenhundert und Funfftzig Teutscher Sprichwörter, verneuwert und gebessert wurden. Agricola hat diese Sammlung offenbar "als dt. Entsprechung zu den Adagia des Erasmus verstanden" (Scheible, S. 49). Johannes Agricola besaß unter seinen Büchern auch die erste gedruckte deutsche Ausgabe mit den Komödien des Terenz (1499), die — abgesehen von Steinhöwels 'Aesop' — die "einzigen Verdeutschungen antiker Autoren, die vor 1505 zum Druck kamen" (BSB-Ink.). Die illustrierte Ausgabe enthält auch die Übersetzung des 'Eunuchus' des Ulmer Patriziers Hans Neithart, die in die Terenz-Ausgabe integriert wurde. Agricola versah sein Exemplar, das im vorderen Spiegel seinen Besitzeintrag von 1553 enthält, mit einer vorgebundenen deutschen 'Vita des Terenz' und einem Gedicht an die Leser. Am 22.9.1566 ist Johannes Agricola in Berlin gestorben. Verf.: cbk. Besitzer von Drucken:
Literatur:VD16 = Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts, (Tragedia Johannis Huss: VD16 A 1026). VD16 = Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts, (Tragedia Johannis Huss: VD16 A 1025). Bautz, F.W.: Johannes Agricola. In: Bautz, F.W. (Begr.) / Bautz, T. (Hg.): Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Hamm 1975, Band 1, Sp. 57–59. BSB-Ink = Bayerische Staatsbibliothek. Inkunabelkatalog online. München, Ink. T-110. Grau, H. D.: Die Leistung Johannes Agricolas als Sprichwortsammler. Ein Beitrag zur Sprichwortforschung. Diss. Tübingen 1968. Scheible, H.: Agricola, Johannes. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Hg. von W. Kühlmann. Band 1 A-Ayr (2008), S. 49. Schelhorn, J. G.: Ergötzlichkeiten aus der Kirchenhistorie und Literatur, in welchen Nachrichten von seltenen Büchern, wichtige Urkunden, merkwürdige Briefe, und verschiedene Anmerkungen enthalten sind. Band 2. Ulm / Leipzig 1762-1764. Windhorst, Ch.: Agricola, Johann. (1492/94–1566). In: Helmut Burkhardt / Uwe Swarat (Hgg.): Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. Wuppertal 1992, Bd. 1, S. 26. | Holzschnitt von Seliger mit dem Bildnis Johannes Agricolas (16. Jh.). Quelle: Schelhorn, J. G.: Ergötzlichkeiten aus der Kirchenhistorie und Literatur, in welchen Nachrichten von seltenen Büchern, wichtige Urkunden, merkwürdige Briefe, und verschiedene Anmerkungen enthalten sind. Band 2. Ulm / Leipzig 1762-1764. |