MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Schnals, Kartäuserkloster
Das ehemals in Schnals (Südtirol) gelegene Kartäuserkloster Allerengelberg wurde 1326 durch Heinrich von Böhmen gestiftet und mit reichem Grundbesitz sowie zahlreichen Privilegien ausgestattet. Ein dergestalt begünstigtes Kloster konnte sich rasch entwickeln. Bereits nach der Wende zum 15. Jahrhundert erlebte die Bibliothek der Kartause in Schnals einen bedeutenden Aufschwung, der sich durch zahlreiche, aus dem ehemaligen Besitz des Klosters stammende Handschriften (mit Verweisen verschiedener Schreiber auf die Zugehörigkeit zur Schnalser Kartause) belegen lässt. Allerengelberg zeichnete sich im 15. Jahrhundert nicht nur durch die Produktivität seines Skriptoriums, sondern auch durch die Einbände der klostereigenen Buchbinderwerkstatt aus. Auch wenn es im Gegensatz zu anderen Kartausen an älteren Bibliotheksverzeichnissen mangelt, können zumindest einige grundlegende Besonderheiten für den Buchbestand in Schnals festgehalten werden. Während in anderen Tiroler Klöstern die Inkunabeln (siehe z.B. Wilten, Prämonstratenser) überwiegen, so stehen in der Kartause in Schnals knapp 200 Handschriften nur 75 Drucken gegenüber, wobei über 100 Handschriften allein aus dem 15. Jahrhundert stammen. Auffällig für eine Klosterbibliothek ist auch der hohe Anteil an volkssprachigen Büchern, von denen ein Großteil nicht nur in Schnals geschrieben und gebunden, sondern auch übersetzt wurde. In dieser Hinsicht ist vor allem die Rolle Heinrich Hallers als prominentem Mitglied des Klosters hervorzuheben, mit dem "der Kartäuserorden […] für das 15. Jh. einen weiteren Übersetzer von Belang" [Bauer 1981, Sp. 416] gewinnen konnte. Auch die Beziehungen des Schnalser Klosters zum Vinschgauer Adelsgeschlecht der Annenberger (die selbst über eine hervorragende Bibliothek verfügten) dürften Einfluss auf die Zusammensetzung der klösterlichen Buchbestände gehabt haben. Gegenseitige Bücherschenkungen und der Besitz einer großen Anzahl von Übersetzungen Heinrich Hallers in der Annebenberger-Bibliothek (wie z.B. im Innsbrucker Codex 979 = MRFH 10440) machen dies deutlich. Mit der Aufhebung der Kartause 1782 wurden die Klostergüter zerstreut. Ein Großteil des ehemaligen Buchbesitzes befindet sich heute in den Universitätsbibliotheken zu Innsbruck und Padua. Verf.: bjk. Besitzer von Drucken:
Literatur:Bauer, E.: Der Übersetzer Heinrich Haller aus der Kartause Allerengelberg in Schnals. In: Kartäusermystik und -mystiker. Dritter internationaler Kongreß über die Kartäusergeschichte und –spiritualität. Band 3 (Analecta Cartusiana 55,3). Salzburg 1982, S. 147-166. Bauer, E.: Haller, Heinrich. In: 2VL 3 (1981), Sp. 415-418. Caramelle, F.: Die Stifte und Klöster Tirols. Innsbruck 1985, S. 124-126. Mazal, O.: Gotische Einbände aus der Kartause Schnals. In: Gutenberg-Jahrbuch (1973), S. 423-428. Neuhauser, W.: Beiträge zur Bibliotheksgeschichte der Kartause Schnals. In: Hogg, J. (Hg.): Die Kartäuser in Österreich, Bd. I. (Analecta Cartusiana 83). Salzburg 1980, S. 48-126. Rief, J.: Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Karthäuserklosters Allerengelberg in Schnals. 10 Bände. Bozen 1903-1912. Weingartner, J.: Die Kunstdenkmäler Südtirols. Band 2: Bozen mit Umgebung, Unterland, Burggrafenamt, Vinschgau. Innsbruck 61977, S. 496f. |