MRFH | Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus |
Augsburg, Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra
Berühmt wurde das Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra vor allem aufgrund seiner umfangreichen Bibliothek und seiner literarischen Produktvität. Schon um 1200 verfügte das Kloster über zahlreiche Handschriften. Vor allem nach der Melker Reform gelangte St. Ulrich und Afra im 15. Jahrhundert zu einer neuen Blüte und wurde "zum bedeutendsten Stift Süddeutschlands" (Seiler, S. 56). In dieser Blütezeit trat Sigismund Meisterlin mit seiner 'Chronographia Augustensium' als erster prominenter Schriftsteller des Klosters hervor. Auch Wilhelm Wittwer (1449-1512) widmete sich der Historiographie. Sein 1497 fertig gestellter Catalogus abbatum basiert auf Meisterlins Werken und ist darüber hinaus ein Kompendium der Annalen aus der eigenen Klosterbibliothek. Melchior von Stamheim, der von 1458 zum Abt des Klosters gewählt wurde und die Entstehung des "St. Afraer Klosterhumanismus" (Schmitz, S. 354) ermöglichte, engagierte sich auch für die neue Buchdruckerkunst. So unterstützte er nicht nur den ersten Augsburger Drucker Günther Zainer, sondern ließ 1472 auch eine eigene Klosterdruckerei errichten. Dabei betrachtete Melchior das Drucken nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung und Weiterentwicklung der Handschriftenherstellung. Nach dem Tod des Abtes 1474 und einer weitgehenden Zerstörung der Klostergebäude, wurde, um den Wiederaufbau zu finanzieren, die Druckerpresse verkauft. Kaiser Maximilian I. nahm im Jahr 1500 an der Grundsteinlegung des neuen Mönchschores teil. Dem Kaiser widmete 1510 Leonhard Wagner (genannt Wirstlin), der als Kopist, Kalligraph und Schreiber über ein außerordentliches Talent in der Buchkunst verfügte, eine Mustersammlung verschiedener Schriftarten und -proben aus unterschiedlichen Epochen. Ungeachtet der kaiserlichen Gunst und der umfangreichen Gelehrtenkultur der Mönche geriet das Kloster 1513 in eine finanzielle Krise. Im Zuge der Reformation wurde 1537 in Augsburg das Feiern der katholischen Messe verboten. Die Mehrzahl der Klosterbrüder entschied sich deshalb für ein konfessionelles Exil. Zehn Jahre später kehrten sie zurück und führten "einen zähen Kampf um die weltliche Unabhängigkeit vom Hochstift" (Lankes, S. 2), den sie schließlich gewannen und 1577 den Rang einer freien Reichsabtei erlangten. Darauf folgte eine neue kulturelle Blüte, die sich jedoch weniger im Literarischen als mehr im Bereich der Musik und bildenden Kunst bemerkbar machte. Verf.: bjk. Besitzer von Drucken:
Literatur:Augustyn, W.: Historisches Interesse und Chronistik in St. Ulrich und Afra in Augsburg im Umfeld von monastischer Reform und städtischem Humanismus. Wilhelm Wittwer und sein "Catalogus abbatum". In: Müller, G. M.: Humanismus und Renaissance in Augsburg. Kulturgeschichte einer Stadt zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg (Frühe Neuzeit 144). Berlin 2010, S. 329-387. Colberg, K.: Meisterlin, Sigmund. In: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 730. Lankes, C.: Klöster in Bayern: Augsburg, St. Ulrich und Afra. In: Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg. Hg. vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft (digital). Schmidt, R.: Die Klosterdruckerei von St. Ulrich und Afra in Augsburg (1472 bis kurz nach 1474). In: Gier, H. / Janota, J. (Hgg.): Augsburger Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wiesbaden 1997, S. 141-152. Schmitz, W.: Klösterliche Buchkultur auf neuen Wegen? Die Entstehungsbedingungen von Klosterdruckereien im ersten Jahrhundert nach Gutenberg. In: Plassmann, E. u.a. (Hgg.): Buch und Bibliothekswissenschaft im Informationszeitalter. München 1990, S. 345-362. Seiler, J.: Die Abtei St. Ulrich und Afra in Augsburg im Mittelalter. In: Münchener theologische Zeitschrift 46 (1995), S. 37-68. Terrahe, T.: Heinrich Steinhöwels 'Apollonius'. Edition und Studien (Frühe Neuzeit 179). Berlin / Boston 2013. |