MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus

MRFHMarburger Repertorium zur
Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus

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Christoph Scheurl

Der Jurist, Diplomat und Büchersammler Christoph Scheurl wurde am 11. November 1481 in Nürnberg geboren. Sein Vater war der sehr vermögende Kaufmann Christoph Scheurl d.Ä., der mit der Nürnberger Handelsgesellschaft Stromer-Ortlieb bzw. Gruber-Podmer-Stromer geschäftlich in Verbindung stand. Als er 1478 das Nürnberger Bürgerrecht erwarb, gelang ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Prosperität und durch Vermählung mit der Patrizierin Helena Tucher rasch der Aufstieg in die Stadtelite. Schon 1481 wurde er als Genannter in den Großen Nürnberger Rat aufgenommen. Wenig später "erwarb er in prominenter Lage unterhalb der Veste (Burgstrasse 10) für 1.750 Gulden ein stattliches Anwesen [...], in dem schon 1489 und 1491 Maximilan I. weilte [...]." (Fleischmann, S. 890f.)

Sein Sohn Christoph Scheurl (1481-1542) besuchte zunächst die Artistenfakultät der Universität Heidelberg, wo Jakob Wimpfeling und Conrad Celtis vermutlich zu seinen Lehrern gehörten. 1498 ging er nach Bologna, um das kanonische und römische Recht zu studieren. Eine große Faszination hat dort auf ihn Philippus Beroaldus ausgeübt, bei dem er Vorlesungen über Poetik und Rhetorik hörte. Von 1499 bis 1504 unternahm Scheurl ausgedehnte Reisen durch Italien, besuchte unter anderem Venedig, Neapel und Loretto und erhielt 1506 in Rom die niederen Weihen. Kurz darauf begleitete er als Dolmetscher eine Gesandtschaft Maximilians I. nach Norditalien, wo er mit dem Markgrafen Francesco Gonzaga von Mantua zusammentraf. Nach Bologna zurückgekehrt, wurde er hier an der Universität, an der er 1505 bereits zum Syndikus gewählt worden war, am 23. Dezember 1506 zum Doctor iuris utriusque promoviert.

Kurze Zeit später folgte er dem Ruf des Kurfürsten Friedrich von Sachsen (dem Weisen) an die neu gegründete Universität Wittenberg, an der er als Professor für Kanonisches Recht lehrte. Am 1. Mai 1507 wurde er zum Rektor der Universität gewählt, 1508 zum Dekan der Juristischen Fakultät. Der sächsische Kurfürst ernannte ihn in demselben Jahr zum Rat und Beisitzer des Sächsischen Hofgerichts. Im Jahr 1512 kehrte Scheurl nach Nürnberg zurück und heiratete dort 1519 Katharina Futterer, die aus einer bekannten Nürnberger Großkaufmannsfamilie stammte. In seiner Heimatstadt trat er in die Dienste des Nürnberger Rates und übte dort von 1512-1542 das Amt des Ratskonsulenten aus, zu dessen Aufgaben neben der juristischen Beratung des Nürnberger Rates auch diplomatische Dienste gehörten. So vertrat er die Interessen Nürnbergs auf Reichstagen, reiste im Interesse der Stadt u.a. 1519 zu Karl V. nach Aragon, 1522 zum Erzherzog Ferdinand nach Österreich, ein Jahr später erneut nach Spanien, Kastilien und Portugal. 1541 wurde Christoph Scheurl in den erblichen Adelsstand erhoben.

Christoph Scheurl verfasste zahlreiche Briefe, unter anderem an deutsche und italienische Humanisten, die er in seiner Studienzeit oder auf seinen späteren Reisen kennengelernt hatte. So hatte er auf seiner Reise nach Spanien in Basel Erasmus von Rotterdam und Beatus Rhenanus getroffen, in Wien u.a. Johannes Cuspinian, der 1508 die Nachfolge von Konrad Celtis als Professor für Poetik an der Wiener Universität antrat und dem sein Freund und Schüler Johannes Gremper kostbare Handschriften, u.a. die Philostratus-Handschrift der Corvina Bibliothek, zugeführt hatte. Scheurl suchte auch persönliche Kontakte zu Willibald Pirckheimer, den er durch die Äbtissin Charitas Pirckheiner kennen gelernt hatte, und Konrad Peutinger, den er seit einem Besuch in Augsburg kannte. Als Mitglied der Sodalitas Staupitziana, der u.a. auch der Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler und Albrecht Dürer angehörten, pflegte er zeitweise eine rege Korrespondenz zu Martin Luther und Philipp Melanchthon, bevor er sich ab 1530 „auf die Seite des katholischen Humanismus“ (Stumpf) stellte.

Neben seinen Briefen hat Scheurl ein vielfältiges Werk an geschichtlichen, theologischen und autobiographischen Texten hinterlassen. Auch Übersetzungen, Anthologien und zahlreiche Reden von ihm sind erhalten; zudem gilt Scheurl nach Schottenloher als einer der „ersten neuzeitlichen Zeitungsschriftsteller“ (vgl. ausführlich Fuchs, Sp. 848-872).

Seine umfangreiche Bibliothek belegt sein breit gefächertes literarisches Interesse. Humanistische und antike Texte sind hier ebenso wie Geschichts- und Rechtsquellen, etwa die ‚Goldene Bulle‘ und die ‚Sachsenchronik‘, aber z.B. auch Heldenepisches wie der ‚Wolfdietrich‘ vertreten. Schon in Bologna hatte Scheurl zahlreiche Bücher erworben. Er besaß u.a. das dort gedruckte Werk ‚Declamatio ebriosi, scortatoris et aleatoris‘ seines humanistischen Lehrers Philippus Beroaldus, von dem er auch eine kommentierte Ausgabe des ‚Goldenen Esels‘ des Apuleius hatte. Zu seiner Bibliothek gehörten zudem Traktate von Giovanni Pico della Mirandola, Marsilio Ficino sowie Werke Jakob Wimpfelings. Darüber hinaus besaß er einen Baseler Druck des 'Narrenschiffs' von Sebastian Brant, den Scheurl um 1500 mit der lateinischen Übersetzung Jacob Lochers in einem Band vereinigte.

Verf.: jes / cbk.

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Literatur:

Appuhn, H. (Hg.): Johann Siebmachers Wappenbuch. 2. verb. Aufl. (Die bibliophilen Taschenbücher 538). Dortmund 1989, insbes. Bl. 212.
Fleischmann, P.: Rat und Patriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert. 3 Bde. (Nürnberger Forschungen 31). Neustadt a. d. Aisch 2007, insb. S. 890-892.
FUCHS, F.: Scheurl (Schewrllius, Scheuerleyn), Christoph (II.). In: Worstbrock, F. J. (Hg.): Deutscher Humanismus 1480 – 1520. VL 2. Lieferung 3 (2012), Sp. 840-877.
GEIß, J.: Frühhumanismus in deutscher Sprache. In: Becker, P. J. / Overgaauw, E. (Hgg.): Aderlass und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln (Staatsbibliothek zu Berlin — Preussischer Kulturbesitz. Ausstellungskataloge NF 48). Mainz 2003, S. 147-165, insbes. S. 164-165.
Graf, W.: Doktor Christoph Scheurl von Nürnberg (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 43). Leipzig / Berlin 1930, insbes. S. 61-65.
Holste, T.: Die Porträtkunst Lucas Cranachs d. Ä. Diss. Kiel 2004, insbes. S. 310, Abb. 134.
Markert, G.: Menschen um Luther. Eine Geschichte der Reformation in Lebensbildern. Ostfildern 2008, insbes. S. 46-51.
Mummenhoff, E.: Scheurl, Christoph. In: Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 145-154.
Stumpf, C. A.: Scheurl, Christoph. In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 715-716.
Wagner, B.: Nürnberger Büchersammler um 1500. Inkunabeln aus dem Besitz von Christoph Scheurl und einigen seiner Zeitgenossen in Oxforder Bibliotheken. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 82 (1995), S. 69-87.

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Porträt von Christoph Scheurl, gemalt von Lucas Cranach d. Ä., 1509, Privatbesitz. Quelle: Holste, T.: Die Porträtkunst Lucas Cranachs d. Ä. Diss. Kiel 2004, S. 310, Abb. 134.

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Wappen der Familie Scheurl. Quelle: Appuhn, H. (Hg.): Johann Siebmachers Wappenbuch. 2. verb. Aufl. (Die bibliophilen Taschenbücher 538). Dortmund 1989, Bl. 212.

Version vom 22. 05. 2012 (MRFH). Permanent Link: mrfh.de/2285.