MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus

MRFHMarburger Repertorium zur
Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus

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Verzeichnis: [ Übersetzer ] [ Heinrich Österreicher ]

 

Heinrich Österreicher

Zeittafel

  • 1467 Studium des kanonischen Rechts in Heidelberg

  • 21.6.1469 bacc.

  • 5.5.1479 licent.

  • 26.9.1480 Erlangung der Doktorwürde

  • 1480 Wahl zum Abt von Schussenried

  • Ernennung zum kaiserlichen Rat unter Friedrich III.

  • 1505 gestorben in Schussenried

Leben und Werk

Der 1480 zum Abt des Prämonstratenserklosters Schussenried (südl. von Ulm) gewählte Heinrich Österreicher wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geboren und starb 1505 in Schussenried. Im Auftrag Eberhards von Württemberg (im Barte) übersetzte er 1491 'De re rustica' des römischen Schriftstellers Lucius Iunius Columella. Columellas Schriften über die Landwirtschaft waren von dem italienischen Humanisten Poggio Bracciolini im 15. Jahrhundert wiederentdeckt worden und lateinisch in etwa 20 Handschriften und mehreren Inkunabeln (Erstdruck: Venedig, Nicolaus Jenson, 1472 = GW M41065) verbreitet.

Der deutsche Übersetzer, Doktor der Jurisprudenz und den Titel eines kaiserlichen Rates führend, zählte zu den bedeutenden Gelehrten seiner Zeit, weshalb er bei Eberhard im Barte schon als Mönch großes Ansehen genoss. Heinrich Österreicher stand in Kontakt mit anderen frühhumanistischen Persönlichkeiten, wie ein für ihn geschriebener Traktat Ulrich Ellenbogs und eine Salutatio Samuel Karochs von Lichtenberg an den praeclaro viro Hainrico Esterricher bezeugen.

Seine literarischen Neigungen weckten offenbar schon früh das Interesse an der neuen Buchdruckerkunst. So versuchte der Abt Heinrich Österreicher in den siebziger Jahren im Kloster Schussenried eine eigene Druckerei einzurichten. Zwei humanistische Drucke gingen aus dieser Klosterwerkstatt hervor: Leonardo Bruni: Comoedia Calhuria et Gurglia (Schussenried 1478 = GW 5610) und eine Terenz-Komödie, die man aufgrund derselben Drucktype ebenfalls dem monasterio Schussenried (GW M45477) zuschreibt. Diese Druckertätigkeit legt engere Kontakte nach Ulm, zu Johann Zainer, vielleicht auch zu den Ulmer Frühhumanisten Heinrich Steinhöwel und dem deutschen Terenz-Übersetzer Hans Neithart nahe. Der Besitzer einer Handschrift von Heinrich Steinhöwels 'Griseldis', der Patrizer Konrad Beck aus Mengen (südl. von Ulm), der in Begleitung Johann Werners Freiherren von Zimmern eine Reise ins hl. Land unternahm, erwähnt Heinrich Österreicher zusammen mit renomierten Persönlichkeiten des schwäbischen Adles als göttid seiner Kinder.

Im Übersetzerstil steht Heinrich Österreicher der Schule des Niklas von Wyle nahe. Seine getreue wort uz wort-Übertragung sowie seine Vorliebe für die lateinische Syntax brachten ihm in der älteren Forschungsliteratur den Vorwurf der unfreien, sprachwidrigen und undeutschen Übersetzung ein. Die umfangreiche Columella-Übersetzung, die handschriftlich fast 400 Folioblatt umfasst, liegt nur in der Widmungshandschrift für Eberhard im Barte (Stuttgart, LB, Cod. cam. et. oec. 2° 1) aus dem Jahre 1491 vor und gelangte nicht in den Druck.

Verf.: cbk.

Schreiber von Handschriften:

Literatur:

Assion, P.: Ellenbog, Ulrich. In: 2VL 2 (1979), Sp. 495-501.
Bertelsmeier-Kierst, C.: 'Griseldis' in Deutschland. Studien zu Steinhöwel und Arigo (GRM-Beiheft 8). Heidelberg 1988, S. 79-82.
Bertelsmeier-Kierst, C.: Übersetzungsliteratur im Umkreis des deutschen Frühhumanismus: Das Beispiel 'Griseldis'. In: Wolfram-Studien 14 (1996), S. 323-343, insb. S. 333.
Württemberg im Spätmittelalter. Katalog bearb. von J. Fischer, P. Amelung u. W. Irtenkauf, Stuttgart 1985, S. 136f. (Nr. 144).
Glocker, J.: Österreicher, Heinrich. In: 2VL 7 (1989), Sp. 110-113.
Heinzer, F.: Heinrich von Württemberg und Eberhard im Bart: Zwei Fürsten im Spiegel ihrer Bücher. In: Rückert, P. (Hg.): Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert. Beiträge einer Vortragsreihe des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg 167). Stuttgart 2006, S. 149-163 (online), insb. S. 160.
Löffler, K. (Hg.): L. Junius Moderatus Columella, De re rustica, übers. durch Heinrich Oesterreicher, Abt von Schussenried. 2 Bde. (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 263). Tübingen 1914 (online).

Bildgroßansicht

Stuttgart, WLB, Cod. cam. et oec. 2° 1, Bl. 1v, Quelle: Fischer, J. / Amelung, P. / Irtenkauf, W.: Württemberg im Spätmittelalter. Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und der Württ. Landesbibliothek. Stuttgart 1985, S. 137, Abb. 49.

Bildgroßansicht

Stuttgart, WLB, Cod. cam. et oec. 2°1, Bl. 2r, Quelle: Fischer, J. / Amelung, P. / Irtenkauf, W.: Württemberg im Spätmittelalter. Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und der Württ. Landesbibliothek. Stuttgart 1985, S. 137, Abb. 49.

Version vom 17. 03. 2010 (MRFH). Permanent Link: mrfh.de/0022.