MR Übersetzungsliteratur
im dt. Frühhumanismus

MRFHMarburger Repertorium zur
Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus

[ © Copyright und Zitierweise ]
Für Suchmaschinen: Inkunabeln Wiegendrucke Handschriften Frühhumanismus Steinhöwel Wyle Eyb Boccaccio Petrarca Piccolomini prehumanism manuscripts manuscrits incunabula incunables

Stephan Roth

Stephan Roth entstammte einer wohlhabenden Zwickauer Handwerksfamilie und wurde 1492 als zweiter Sohn von insgesamt neun Kindern des Schuhmachers Barthel Roth geboren. Nach einer stark vom Humanismus beeinflussten vorreformatorischen Schuldbildung erfolgte 1512 die Immatrikulation an der Universität Leipzig. Sein Studium wurde vom Zwickauer Rat mit einem Stipendium über 10 Gulden pro Semester gefördert. Während seines Studiums entwickelten sich die Grundlagen humanistischen Denkens und Arbeitens (vgl. Metzler [2008], S. 48). Das Studium der Artes Liberales schloss Roth 1514 mit dem Erwerb des Baccalaureats ab. Diesem folgte ein Fachstudium an der Artistenfakultät, das durch juristische, medizinische und theologische Vorlesungen ergänzt und mit der Magisterprüfung im Dezember 1516 abgeschlossen wurde.

Im Herbst 1517 nahm Roth in Zwickau die Stelle des Rektors an der Lateinschule an. Nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg nahmen die reformatorischen Kräfte in Zwickau rasch zu. Auch wenn eine Zusammenarbeit von Roth und Thomas Müntzer in einem Fall belegt ist, fehlt eine klare Positionierung Roths im Konflikt zwischen den unterschiedlichen Parteien. Nach einem Streit mit dem Leiter der Griechischschule Georg Agricola, der sich bei der Zusammenlegung der beiden Schulen gegen Roth als Rektor durchsetzte, verließ dieser im Sommer 1521 Zwickau, um in St. Joachimsthal (heute Jáchymoc [CZ]) das Schulmeisteramt anzutreten.

Bereits zu Ostern 1523 gab Roth seine Stellung allerdings zugunsten einer Immatrikulation an der Universität Wittenberg auf, wo er vor allem juristische Vorlesungen besuchte. Das Studium wurde bis 1525 erneut durch ein Zwickauer Stipendium gefördert, danach finanzierte Roth sich mit Übersetzer-, Herausgeber- und Korrektorendiensten.

Vor allem nach seiner Hochzeit mit der Wittenbergerin Ursula Krüger im Jahr 1524 war Roth um ein sicheres Auskommen bemüht und wurde auf seine Bewerbung hin 1527 als Unterstadtschreiber Zwickaus eingestellt. 1533 rückte er zum Stadtschreiber auf und führte fortan die städtische Kanzlei. 1543 wurde er zum Ratsherren ernannt, ein Jahr später schied er aus dem Amt des Stadtschreibers aus. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau am 15. November 1545 heiratete Roth am 17. Januar 1546 Barbara Fitz, die wohl deutlich jüngere Tochter eines Zwickauer Wagenmeisters. Nur wenige Monate nach der Hochzeit, am 10. Juli 1546 verstarb Roth mit 54 Jahren.

Roths Bucherwerb begann womöglich bereits in seiner Schulzeit, spätestens aber mit seinem Studium in Leipzig. Während seine Ratskollegen später ihr Geld in Immobilien anlegten und ihren Besitz zu vermehren versuchten, investierte Roth sein Einkommen bis zu seinem Tod in Bücher. Mithilfe von Briefen schuf sich Roth ein dichtes Beziehungsnetz, über das er seine Bücher aus den Zentren seiner Zeit bezog, "so dass er mitunter Bücher bestellte, von deren Existenz die heimischen Buchführer noch gar nichts wussten" (Metzler [2008], S. 211). Gleichzeitig betätigte Roth sich selbst gerade in seiner Wittenberger Zeit für zahlreiche Bekannte als wichtiger Buchlieferant, wovon seine umfangreiche Korrespondenz zeugt. Dieses Vorgehen wurde sowohl negativ als Schwarzmarkt- oder "Behördenbuchhandel" (vgl. Grimm, Sp. 1663) als auch positiv als Verbreitung von "protestantischem Gedankengut und humanistischer Bildung" (Metzler [2008], S. 213) beurteilt.

Roths Bibliothek wuchs bis zu seinem Tod auf ca. 6000 Werke, über die Roth auch Buch führte und die er mit seinen Initialen oder dem Motto Legantur cum iudicio zeichnete. Ein Großteil der lateinischen Bücher ist theologischen Inhalts, jedoch sind auch zahlreiche humanistische Autoren in Roths Bibliothek vertreten. Bei den deutschsprachigen Übersetzungen finden sich die 'Ruralium commodorum libri XII' (MRFH 20810), Hans Neitharts Übersetzung des 'Eunuchus' (MRFH 21460) und Sebastian Brants Übersetzung der 'Thesmophagia' (MRFH 21285). In seinem Testament vermachte der kinderlose Roth seine Bücher der Zwickauer Ratsschulbibliothek, in der sich die meisten noch heute befinden.

Verf.: js.

Besitzer von Drucken:

Literatur:

Buchwald, G.: Stadtschreiber M. Stephan Roth in Zwickau in seiner literarisch-buchhändlerischen Bedeutung für die Reformationszeit. In: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels 16 (1893), S. 6-247.
Clemen, O.: Stephan Roth. In: Sächsische Lebensbilder 2 (1938), S. 340-351.
Grimm, H.: Die Buchführer des deutschen Kulturbereichs und ihre Niederlassungsorte in der Zeispanne 1490 bis um 1550. In: Archiv für die Geschichte des Buchwesens 7 (1967), Sp. 1153-1772, insb. Sp. 1661-1663.
Haebler, K.: Ein Beitrag zur Geschichte des Bucheinbands im 16. Jahrhundert. Die Buchbinder von Zwickau. In: BRESLAUER, M. / Koehler, K. (Hgg.): Werdenund Wirken. Ein Festgruß. Karl W. Hiersemann zugesandt am 3. September 1924 zum siebzigsten Geburtstag und vierzigjährigen Bestehen seiner Firma. Leipzig 1924, S. 99-122.
Metzler, R.: Die Bibliothek des Zwickauer Stadtschreibers Stephan Roth (1492-1546). Ein erster Überblick. In: Hubrath, M. / Krohn, R. (Hgg.): Literarisches Leben in Zwickau im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Vorträge eines Symposiums anläßlich des 500jährigen Jubiläums der Ratsschulbibliothek Zwickau am 17. und 18. Februar 1998 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 686). Göppingen 2001, S. 111-123.
Metzler, R. (Hg.): Stephan Roth 1492-1546. Stadtschreiber in Zwickau und Bildungsbürger der Reformationszeit. Biographie. Edition der Briefe seiner Freunde Franz Pehem, Altenburg, und Niolaus Günther, Torgau (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 32). Leipzig 2008, S. 19-223.
Mitzschke, P.: Stephan Roth. In: Allgemeine deutsche Biographie 53 (1907), S. 564-567.
Müller, G.: Magister Stephan Roth. Schulrektor, Stadtschreiber und Ratsherr zu Zwickau im Reformationszeitalter. In: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 1 (1882), S. 43-98.
Nickel, H.: Die Inkunabeln der Ratsschulbibliothek Zwickau. Entstehung, Geschichte und Bestand der Sammlung. Diss. Berlin 1976, S. XXIII-XXXI.

Bildgroßansicht

Anonymes Porträt Stephan Roths. Quelle: Metzler, R. (Hg.): Stephan Roth 1492-1546. Stadtschreiber in Zwickau und Bildungsbürger der Reformationszeit. Biographie. Edition der Briefe seiner Freunde Franz Pehem, Altenburg, und Niolaus Günther, Torgau (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 32). Leipzig 2008, S. 657.

Bildgroßansicht

Statue Roths an der Marienkirche Zwickau. Quelle: Metzler, R. (Hg.): Stephan Roth 1492-1546. Stadtschreiber in Zwickau und Bildungsbürger der Reformationszeit. Biographie. Edition der Briefe seiner Freunde Franz Pehem, Altenburg, und Niolaus Günther, Torgau (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 32). Leipzig 2008, S. 657.

Bildgroßansicht

Stephan Roths Motto Legantur cum iudicio. Quelle: Metzler, R. (Hg.): Stephan Roth 1492-1546. Stadtschreiber in Zwickau und Bildungsbürger der Reformationszeit. Biographie. Edition der Briefe seiner Freunde Franz Pehem, Altenburg, und Niolaus Günther, Torgau (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 32). Leipzig 2008, S. 662.

Version vom 10. 02. 2013 (MRFH). Permanent Link: mrfh.de/2159.